Montag, 30. April 2018

29. / 30. April / 1./3. Mai 2018: Abenteuer Astronomie - ein Stern wächst über sich hinaus

Es gibt seit einiger Zeit eine sehr schöne Astronomie-Zeitschrift auf dem deutschsprachigem Markt: "Abenteuer Astronomie" heißt sie. Meines Erachtens für alle ambitionierten Hobbyastronomen sehr empfehlenswert. Doch von dieser Zeitschrift soll in diesem Artikel nicht die Rede sein, sondern von meinem eigenen Beobachtungsabenteuer an diesem Sonntagabend.

Der Himmel war bei uns am späten Nachmittag ziemlich bedeckt, so dass ich den Abend hinter dem Computer verbrachte, da postete Daniel Fischer bei facebook in der Gruppe "Astronomie als Hobby" folgende Nachricht: "Dringender Beobachtungsaufruf - da könnte gerade was sehr Ungewöhnliches im Perseus abgehen, mit 6 mag. ziemlich hell aber leider nicht besonders hoch im Norden." Und angehängt war die folgende Meldung aus den facebook-Seiten von "Astronomie aktuell":

Alarm im Perseus! Da ist gerade ein 'neuer Stern' mit ~6,2 mag. aufgetaucht - bei dem es sich um einen Nova-artigen Ausbruch der Zwergnova V392 Per handeln könnte (die sonst zwischen 14 und 17 mag. schwankt). Oder es ist eine normale Nova-Explosion ganz in der Nähe. Oder noch was anderes - die Informationen sind bisher sehr spärlich: http://www.cbat.eps.harvard.edu/…/fo…/J04432130+4721280.html und https://www.aavso.org/tcp-j044321304721280-v392-nova-erupti… und https://www.cloudynights.com/…/616375-potential-nova-per-2…/ und http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=224648 sowie https://www.aavso.org/v392 zum Treiben von V392 Per in den letzten Monaten, als sich was angebahnt haben *könnte*.

Diese Nachricht machte mich neugierig. Ein neuer Stern mit 6.2mag Helligkeit? Sterne dieser Helligkeit kann man mit bloßem Auge sehen. Allerdings nur unter besten Voraussetzungen an einem wirklich dunklem Himmel ohne helles Mondlicht. Und heute Abend war Vollmond!

Ich ging erstmal gleich den angegebenen Links nach. Etliche waren auf englisch und sie gaben wirklich nicht viel her. Dieser veränderliche Stern V392 Perseus war normalerweise vielleicht bei seinen Helligkeitsausbrüchen 14mag hell, also bestenfalls für größere Fernrohre zu erreichen. Und auch im Link zum "astrotreff" las ich nur einen Beobachtungsaufruf des renommierten Astrophysikers Erik Wischnewski, Autor mehrerer sehr interessanter Astronomiebücher, aber noch keine weiteren Informationen, gewschweige denn sogar Bilder.

Doch jetzt hatte mich meine Neugier gepackt. "Wie cool ist das denn?" ging es mir durch den Kopf. Da soll ein veränderlicher Stern plötzlich so hell werden, dass man ihn (theoretisch) mit bloßem Auge sehen könnte? Ein Helligkeitsanstieg von 14mag auf 6mag, also um acht Größenklassen, bedeutet einen Anstieg um das etwa 1500fache! Bei einem Helligkeitsanstieg von neun Größenklassen sprechen Astronomen von einer Nova, eine Supernova wäre noch stärker. Eine Supernova hatte ich schon mit Fernrohr beobachten können, aber die war weit entfernt in einer anderen Galaxie (M82 im Februar 2014). Dieser Stern hier käme aber aus unserer "Nachbarschaft".

Ein Blick aus dem Dachfenster nach Norden zeigte mir kurz nach 22 Uhr über den Nachbarhäusern strahlte noch die Venus, sie sollte kurz nach 23 Uhr untergehen. Und meines Erachtens noch recht hoch über der Venus war ein weiterer heller Stern zu sehen, das konnte nur Capella, der hellste Stern im Fuhrmann sein. "Verdammt noch mal", ging es mir durch den Kopf, "da müsste doch mehr zu sehen sein!"

Schnell habe ich meine Kamera gepackt, auf ein Stativ geschnallt und draußen im Garten Richtung Nordwesten gepeilt. Die Venus war hier hinter den nachbarhäusern schon nicht mehr zu sehen. Neben Capella waren aber auch die hellsten Sterne des Perseus mit bloßem Auge zu erkennen. Der Mond  schien zum Glück auf der anderen Seite des Hause, im Südosten. Nur ein paar Schleierwolken trübten etwas den Blick.

Ich schoss gleich mal ca. 20 verschiedene Fotos mit unterschiedlichsten Belichtungseinstellungen. Ich wollte ein Optimum aus "tiefer" Belichtung haben und trotzdem kurzer Aufnahmezeit. Bei zu längerer Belichtungszeit mit zu hoher Empfindlichkeit gepaart war der Himmel viel zu hell und alles war praktisch überbelichtet, bei zu kurzer Zeit merkte ich schon auf dem Kameradisplay, da wären nur Schleierwolken und die allerhellsten Sterne wie etwa Capella zu sehen.

Hier vielleicht mein bestes Einzelbild:

Capella (oben links) und das Sternbild Perseus am 29. April gegen 22:45 Uhr im Nordwesten (Kamera Canon 5D Mark II, 50mm Objektiv f1.8, abgeblendet auf 2.8, 2 sec belichtet, ISO 1600)

Aber wo war jetzt dieser ominöse Stern? Schon ein erster Blick zeigte mir, die Kamera hat sicherlich alle mit bloßem Auge sichtbaren Sterne eingefangen.

Jetzt galt es also schnell mal das Bild mit einem Sternenatlas zu vergleichen. Auf meinem Computer nutze ich dafür das Planetariumsprogramm Stellarium. Hier sollte die Position von V392 Per doch zu finden sein. Dann schnell Photo und Karte vergleichen - und dann wüsste ich, was Sache ist.

Zunächst suchte ich in Stellarium ganz simpel nach V392 Per: Keine Antwort! Mir war auch schnell klar, warum das nicht funktionieren könnte. Normalerweise ist dieser Stern ja nur 14 bis 17mag hell. hatte ich überhaupt die Kataloge solch schwacher Sterne in mein Programm geladen? Stellarium zeigt nämlich nach einem einfach Download des Programms nur die helleren Sterne, schwächere kann man - abgestuft nach Helligkeiten - Schritt für Schritt nachladen. Stattdessen gab ich jetzt die genauen Koordinaten von V392 Per ein: 04 43 21.30 +47 21 28.0.

Da zeigte das Programm erwartungsgemäß natürlich keinen Stern, aber es war doch ein auffälliges "Viereck" zu sehen, das müsste doch auch auf meinem Photo zu erkennen sein. Hier das Bild aus Stellarium:

Hier in der Nähe sollte V392 Per sein.

Und ja, dieses Viereck fand ich tatsächlich auf meinem Photo. Aber !? Wo war denn nun das Objekt meiner Begierde tatsächlich zu finden?  Ich verglich immer wieder mein Photo mit der Sternkarte und suchte - inzwischen etwas frustriert - nach einem fünften Stern, der sich etwas unterhalb dieses Vierecks befinden sollte. Aber da war nichts auf dem Bild zu erkennen.

Ich schaute wieder in das Forum beim astrotreff. Dort hatte inzwischen Ronny gepostet: "ich habe den Stern gerade im 20x60-Fernglas gesehen. Wegen den Schleierwolken ist eine Schätzung schwierig, die 6,2 mag kommen etwa hin." 

Wie konnte das sein? Wenn ich den doch gar nicht finde? Was mache ich falsch? Schließlich entschied ich mich, mein Bild einfach mal selbst zu posten:


Erste Suche nach V392 Per
Dazu schrieb ich: "Ich kann das leider nicht bestätigen. Ich bin Anfänger, aber auf diesem Bild sollte V Per sich doch etwa in dem Kreis befinden. Auf dem Foto sind Sterne bis 8mag und dunkler drauf, da sollten 6.2 mag doch kein Problem sein. Oder habe ich an einer falschen Stelle gesucht?"

Ja, und dann dauerte es zum Glück nicht lange, dass ich von Dominik Elsässer eine Antwort bekam:  "...ich habe grad mal auf die Schnelle geschaut: Das Objekt das Du mit "7.9" beschriftet hast ist doch offensichtlich deutlich heller als der 7.25mag Stern oberhalb davon. Und es passt zur Position des fraglichen "neuen" Sterns. Deine Aufnahme _könnte_ (könnte!) also in Wahrheit eine Bestätigung sein. Von wann ist sie denn, und was wurde verwendet?"

Und auch Ronny antwortete gleich:  "V392 Per ist der Stern, den du mit 7,9 beschriftet hast."

Hey, man war das spannend! Sollte ich doch - zumindest als erster in diesem Forum - ein richtiges Foto von V392 Per geschafft haben?

Ich schaute mir mein Bild noch einmal genauer an. Und - naklar - jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Der Punkt, den ich mit 7.9 beschriftet hatte, war wirklich viel heller als andere Sterne, nur etwas schwächer als der Stern HIP 21823, der in Stellarium mit 5.6mag angegeben und etwas schwächer als der andere "Eckstern" dieses Vierecks mit 6.75mag. Statt des "7.9" Sterns war der von mir mit "? (10.4?" markierte Stern die "vierte Ecke", laut Stellarium 7.9mag hell, was ja auch in etwa mit der Helligkeit meines Photos übereinstimmt, wenn man diesen mit den beiden mit 8.3 und 8.7 mag bezeichneten Sternen vergleicht. Und jetzt stimmte es auch wirklich mit der Sternkarte überein: die Position meines hellen Stern lag tatsächlich etwas unterhalb des "Vierecks"!

Und so postete ich dann gleich mal auf facebook eine "richtige" Version meines Photos:

Jetzt wurde V392 Per richtig identifiziert

Daniel Fischer antwortete sogleich "Klasse!" und Patrick Schmeer gab den guten Hinweis: "Super, Wolfgang! "V Per" --> "V392 Per" (könnte mit V Persei = Nova Per 1887 verwechselt werden)."

Und im astrotreff Forum schrieb Dominik Elsässer: "Danke für die Daten. Sehr spannende Sache, immerhin wissen wir nun, dass es ein echtes Ereignis ist und kein Fehler bei der CBAT - Meldung."

Diesen Dank kann ich nur zurück geben! Astronomie ist schon ein tolles Hobby! Da kann man tolle Abenteuer erleben, man entdeckt einen "neuen Stern" und sieht (wie es im Sprichwort heißt: "den Wald vor lauter Bäumen nicht") den Stern vor lauter Sternen nicht, doch dank der Hilfe und den klugen Auge der anderen wird doch noch eine ganz tolle Sache daraus. Im Team macht unser Hobby noch einmal so viel Spaß! Danke!

Ich ging dann erstmal ins Bett, inzwischen war es schon Mitternacht vorbei und um 5:45 Uhr sollte wieder der Wecker klingeln...

Am Montag morgen habe ich mich dann gleich mal auf die Suche gemacht, ob ich nicht zufällig früher schon mal ein Photo dieser Gegend gemacht habe. Am 6. Februar 2015 habe ich tatsächlich den gleichen Himmelsausschnitt fotografiert. Im ersten Moment wirken die Bilder sehr verschieden, damals habe ich die Gegend zehn Sekunden lang belichtet, es schien auch kein Mond und es waren keine Schleierwolken am Himmel. Dadurch sind natürlich viel mehr Sterne zu sehen, und sie zeichnen längere Strichspuren. Aber man erkennt doch das "Viereck" wieder und kann erkennen, der ganz helle Stern vom 29. April 2018 fehlt auf dieser Aufnahme:

Vergleich zwischen 2015 und 2018


Mal sehen, ob diese Geschichte noch weiter geht und was sich noch über diesen Stern V392 Per erfahren lässt...

********************* Nachtrag vom 30. April 2018 ********************

Auch heute Abend konnte ich wieder V392 Per fotografieren, der Stern scheint mir heute etwas schwächer zu sein als gestern:

V392 Per am 30. April 2018, 22:46 MESZ, Canon 5D Mark 2, 50mm Objektiv 1.8 auf 2.8 abgeblendet, 2 sec, ISO 1600
Im "astrotreff" gibt es inzwischen ein paar weitere Fotos, Photometrieergebnisse, Verweise auf Spektren des Sterns und mehr.

******************************** Nachtrag vom 1. Mai 2018 ************************

Auch heute Abend, am 1. Mai, war es wieder klar. V392 Per ist jedoch noch lichtschwächer geworden als gestern:

V392 Per am 1. Mai
Hier noch ein weiteres Bild, diesmal 10 Sekunden belichtet. Dann zeichnen die Sterne zwar schon Spuren, aber dafür kommen auch die Farben eher zur Geltung. Deutlich erkennt man die rötliche Farbe von V392 Per, typisch für Nova-Sterne.

V392 Per zeigt auf längeren Belichtungen eine rötliche Farbe.

*********************************** Nachtrag 3. Mai 2018 ***********************

Gestern, am 2. Mai war der Himmel bewölkt, heute war es wieder klar. V392 Per ist fotografisch immer noch zu sehen, sinkt jedoch weiter in der Helligkeit ab. Ich schätze heute liegt die helligkeit nur noch bei ca. 8mag. Dafür geriet mir jedoch eine Sternschnuppe (?) mit aufs Bild:

V392 Per am 3. Mai, zusammen mit einer kleinen Sternschnuppe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen